Vom Dach der Welt und ohne Luft

Was für ein Tag! Ich genieße es, nicht den Weg der Fußpilgern zu nehmen, sondern auf der Straße zu fahren. Es ist kaum Verkehr, ich habe die grandiose Landschaft für mich und es ist auf dem Asphalt schön warm. Frieren muss ich nicht.

Die Hitze macht mir inzwischen nichts mehr aus. Man muss nur schnell genug fahren, dann hat man ordentlich Fahrtwind. Ich will ja keine Rekorde aufstellen, aber die 98 Kilometer bis Sahagún bin ich heute in netto 4 Stunden 49 Minuten gefahren.
Aber Pausen muss der Pilger ja auch machen und die haben es manchmal in sich. In Boadillo del Camino habe ich heute eine dieser Pausen gemacht, um in der Herberge einen Kaffee zu trinken. Da sieht ein junger Mann mein Fahrrad und fragt mich, ob es meines wäre. Ein Pilger aus Nepal. Nun ist der gute Mann nicht von Nepal bis Spanien zu Fuß unterwegs. Er hat den Weg an der französischen Grenze zu Fuß begonnen, sich in Burgos ein Rad organisiert, um bis León mit dem Rad zu fahren und dann wieder zu Fuß bis SdC zu kommen. Aber der Vorderreifen war platt.

Ob ich denn eine Luftpumpe hätte, war seine Frage. Klar, man hilft ja gerne. Aber ich wollte erst meinen Kaffee trinken, hatte ich doch so ein Gefühl, dass sein Problem ein größeres sei als eine fehlende Luftpumpe.

Ich bat ihn, mir das Fahrrad mal zu zeigen und habe gesehen, dass das Ventil des Vorderreifens abgebrochen, der Adapter für die Pumpe aber noch aufgeschraubt war. Mit Leatherman, Fahrradtool und dem bei Detlef Düppe gelernten handwerklichen Geschick, habe ich das auseinander gefriemelt. Einen Ersatzschlauch hatte mein nepalesischer Freund zum Glück mit bei. Also schnell mal den Schlauch des Vorderreifens gewechselt.

Ich sah noch seinen Sattel, der um gut 20 Grad nach rechts gedreht war und fragte ihn, ob er denn keine Probleme mit dem Rücken oder dem Hintern hätte. Oh doch, das würde alles ganz schrecklich weh tun. Er habe aber keine Ahnung von Fahrrädern, er sei seit seiner Kindheit nicht mehr Rad gefahren. Na ja, der Sattel war dann schnell gerade gestellt.

Wir sind dann los gefahren und nach ein paar Kilometern freute er sich, wie angenehm er jetzt auf dem Sattel sitzen würde.

Er ist aber immer schön der Beschilderung für Fußpilgern hinterhergefahren. Auch wenn die unbefahrene Asphaltstraße direkt parallel lief, blieb er auf dem geschotterten Fußweg. Die Hölle für Hintern, Arme, Reifen und Nacken. Nein, er habe Angst auf der Straße zu fahren wegen der Autos. Ich versuchte, ihn davon zu überzeugen, dass das kein Problem sei und fragte ihn, ob er denn keine Karte bei sich habe.

Nein, natürlich nicht. Er habe Google Maps und die Zeichen am Wegesrand. Ich habe ihn dann gebeten, sich meine Karten mit dem Handy zu fotografieren und habe ihm noch einen meiner Kabelbinder gegeben („We Germans are prepared for everything.“), da mir seine Konstruktion, einen Rucksack auf den Gepäckträger zu binden, doch etwas gewagt vorkam.

Mach’s gut, mein nepalesischer Freund. Ich wünsche Dir alles Gute und danke Dir für die Schachtel Zigaretten, die Du mir als Dank geschenkt hast. Ich werde Dir in guten Gedanken verbunden bleiben.

Aber der Tag hat mit dem tollen Kloster San Anton begonnen. Eine Ruine, aber genial. Und das Ganze im Morgenlicht. Super!

Und Meseta fetzt einfach.

Heiß, karg, brutal und der Blick bis zum Himmel. Und ich lasse die Haare im Fahrtwind wehen. Davon hat Lucy Jordan geträumt, wenn auch in Paris.

Nur dem Esel hätte sein Besitzer wirklich einen kleinen Unterstand bauen können. Der steht den ganzen Tag in der Sonne.

Und ganz nebenbei ist der Zähler dann heute noch der Zähler über eine magische Marke gehörst.

Jetzt aber nochmal etwas in eigener Sache. Ich schreib ja sonst kaum über mich 😀.

Ich verlinke diesen Blog ja auch auf meiner Facebook-Seite und in den Facebook-Gruppen „Radreisende“ und „Jakobsweg-Begeisterte“. Nun hat mein letzter Blogeintrag einen wahren Shitstorm ausgelöst. Radfahrer sind doof, die klingeln immer die Fußpilger von der Piste, nehmen keine Rücksicht. Ich sei im Mimimi-Modus. Und am besten: Sie haben „tuntige Trikots“ an. Ach würden doch die Menschen bitte nach dem dritten Glas Rotwein die Finger von der Tastatur lassen. Und wenn sie es im nüchternen Zustand geschrieben haben: Noch schlimmer!

Ich werde dieser Gruppe zumindest den Rücken kehren. Ein paar Nörgeler werden mich nicht von meiner momentanen Hochstimmung abbringen.

Der spanischen Straßenbauverwaltung möchte ich auf diesem Weg noch für ihren Humor danken. Aber vielleicht gab es die Schilder ja auch aus Brüssel und sie mussten unbedingt installiert werden.

Und zum Schluss, der heutige Tag ist meinem Freund Axel gewidmet, der hat nämlich Geburtstag und ich danke ihm und Anja nochmal von ganzem Herzen für die liebevolle Aufnahme in Dortmund, als mein Knie nicht funktionierte. Axel, Anja und Inga – Ihr seid wunderbar. Ohne Euch wäre schon lange Feierabend.

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