Gewicht kostet Geld – also im umgekehrten Sinne
Fahrradhersteller bieten inzwischen für fünfstellige Summen so leichte Rennmaschinen aus hypermodernen Verbundwerkstoffen an, dass man mit denen nicht mal an einem Jedermannrennen teilnehmen darf, ohne Zusatzgewichte zu befestigen. Helme wiegen mittlerweile fast so wenig wie Malerhütchen aus Zeitungspapier.
Jede Woche stürmen Tausende von Gewichtsfetischisten die Ausrüstungsläden Deutschlands, um den Rucksack, das Wanderhemd, den Bergstiefel, die Iso-Matte oder das Zelt zu ergattern, das das Gesamtgewicht der Ausrüstung noch ein paar Gramm nach unten drückt. Die Freude darüber ist vor allem bei den Herstellern groß.
Direkt aus dem All in die Fahrradtasche
Bei den Preisen, die dieses ganze Zeug kostet, kann man der festen Überzeugung sein, dass alle die tollen Fasern direkt aus der Raumfahrt stammen und mehrere Jahre zwischen Mars und Saturn im Testeinsatz waren. Die Produktionskosten können es nicht sein, die ein Kunstfaser-Fahrradhemdchen mal eben auf 80 oder 90 Euro treiben. Laut Etikett hat der Hersteller schließlich schon vor längerem das Hochlohn-Land China verlassen und ist nach Kambodscha, Laos oder Indonesien ausgewichen. Aber sich darüber Gedanken zu machen, ist eine andere Geschichte.
Ich gebe zu, auch ich bin jahrelang diesem Gewichtswahn nachgerannt. Immer drauf achtend, dass bei längeren Wanderungen der Rucksack nie mehr als zehn Kilo wog. Ich habe es irgendwann aufgegeben, bei allem immer die virtuelle Waage im Hinterkopf zu haben.
Warum?
Kabel über Kabel
Beim Packen – egal ob es der Rucksack oder die Fahrradtaschen waren – stellte ich fest, dass ich wie der Landesinnungsmeister der Elektriker durch die Gegend ziehe. Die halbe Fahrradtasche oder der halbe Rucksack waren mit irgendwelchen Kabeln, Steckern, Adaptern und elektrischen Geräten voll.
- Handy
- Ladekabel für das Handy
- iPad
- Ladekabel für das iPad
- mp3-Spieler (so viel Luxus muss sein)
- Kopfhörer
- Kamera
- Akkuladegerät für die Kamera
- Ersatzakku
- SD-Karten-Adapter für das iPad
- Powerbank
- Ladekabel für die Powerbank
- Stirnlampe
- Ersatzbatterien für Stirnlampe
- Neuerdings das Navi mit dem dazugehörenden Ladekabel
Da ist eine ganze Menge zusammen gekommen. OK, wenn man das Geld nicht in den Ausrüstungsladen trägt, sondern gleich zu der Firma mit dem angebissenen Apfel, dann kann man sich immer die neuesten Geräten mit riesiger Kapazität kaufen und erspart sich dadurch ein Ladekabel und den mp3-Spieler. Das macht den Kohl dann auch nicht fett.
Nicht ärgern – schleppen!
Und irgendwelche Esoteriker haben Angst vor Elektrosmog – ich schleppe den ganzen Kram und beschwere mich noch nicht einmal darüber. Vor längerer Zeit dachte ich, ich käme ohne die Kamera aus. Schließlich machen die heutigen Handys ja auch gut Bilder. Zehn Tage habe ich mich darüber geärgert, dass ich die paar hundert Gramm Spiegelreflex zuhause gelassen habe. Über die schlechten Bilder ärger ich mich noch heute. Als wenn dadurch irgendein gemeiner Anstieg an der englischen Ostküste einfacher gewesen wäre.
Und die Moral von der Geschicht? Ich habe eingesehen, kein Zivilisationsverweigerer zu sein. Mir ist es lieber, ein paar anständige Bilder zu haben, abends im Zelt noch ein wenig Musik zu hören und schließlich wollen diese Seiten hier während der Tour auch gefüllt werden. Also muss der ganze Technikkram mit. Dafür nehme ich dann lieber eines der superleichten Hemdchen weniger mit und wasche zwischendurch mal.
2 Kommentare zu „Als Elektriker unterwegs“