Frankreich in allen seinen Facetten

So, nun radle ich seit drei Tagen durch Frankreich. Im Moment fällt es mir schwer, über die vergangenen Tage zu berichten, da ich über den heutigen Campingplatz ziemlich angefressen bin.

OK, dass die städtischen Campingplätze hier nicht den Standard bieten wie in Deutschland oder der Schweiz ist klar. Dafür sind sie auch deutlich günstiger. Und dass Plumpsklos bei unseren Nachbarn noch durchaus ihre Anhänger haben, lassen wir mal unter „andere Länder, andere Sitten“ laufen. Aber warmes Wasser in den Duschen halte ich für keinen Luxus, eine funktionierende Steckdose, an der man das Handy aufladen kann, wäre auch nicht schlecht. Und WLAN ist inzwischen eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Also in Mitteleuropa. Und nochwas: Liebe Campingplatzbetreiber, ich finde es schön, dass ihr regelmäßig die Wiese mäht, auf der die Zelte stehen. Aber auch in Frankreich soll es bereits Rasenmäher geben, die einen Auffangbehälter haben. Man muss ihn nur benutzen.
Wenn nämlich die ganze Wiese mit Rasenschnitt voll liegt, ist es eine Frage der Zeit, bis man das Zeug im Zelt, in den Socken, im Schlafsack, in den Fahrradtaschen und sonst wo hat. Mit Grauen denke ich daran, morgen auf der feuchten Wiese das Zelt einzuwickeln. Ich werde sicher auf der morgigen Etappe zwei Kilo Rasenschnitt in den Taschen transportieren. Deshalb heute auch spärliches Abendessen.

Jetzt ist aber gut mit Meckern.

Frankreich begrüßte mich hinter der Grenze in Chancy mit ein paar knackigen Steigungen. Gut möglich, dass es meiner eigenen Dummheit geschuldet war, dass der erste Tag eher von der heftigen Sorte war. Denn entweder gibt es dort die teilweise perfekt ausgebaute und ausgeschilderte Via Rhona noch nicht, oder ich habe sie nicht gefunden.

Die Via Rhona ist gerade im Aufbau und in Abschnitten wirklich schön. Leider aber noch im Aufbau. Dort wo sie endet, ist dann auch Schluss mit der Beschilderung. Das brachte heute ein paar Kilometer auf der N7. Wer schonmal nach Südfrankreich mit dem Auto gefahren ist und die Autobahngebühren sparen wollte, kennt die N7. Und alle Lastwagenfahrer auch. Das war kein Vergnügen.

Das obere Rhônetal ist allerdings wirklich sehr schön, der Radweg tadellos und die Ortschaften nahezu pittoresk. Man sieht, ich werde immer frankophiler.

Der Haken, wo die Rhône wieder gen Norden fließt, habe ich mir gespart. So musste ich auch nicht durch Lyon, was mit dem Auto ja schon die Hölle ist. Mit dem Rad möchte ich mir das gar nicht vorstellen. Das Ganze hatte zwar wieder ein paar Steigungen zur Folge, hat aber für 150 Kilometer gespart. Wer das eine will, …….

Heute dachte ich eigentlich, der Mistral würde mich ein wenig unterstützen, aber das war Lartsim. Also Mistral aus der falschen Richtung. 

Inzwischen merke ich, wie Passanten auf der Straße mein Rad sehen und sich etwas von St. Jacques de Compostelle zunuscheln. Eine Frau sprach mich an, und ich erzählte ihr, wo ich herkomme und wie lange ich bereits unterwegs bin. Sie hat mir alles Gute gewünscht.

Das Zigeunerleben zollt aber schon ein wenig Tribut. Unter anderen Umständen, also wenn das die reine Urlaubsreise wäre, hätte ich wohl inzwischen genug von klammen Klamotten am Morgen, stinkenden Socken und Duschen, die man nur mit Plastiklatschen betreten kann. Aber es wird gepilgert und nicht verreist. Da gilt es Abstriche zu machen. Zuhause werde ich wahrscheinlich die ersten zwei Tage ausschließlich in der Badewanne verbringen, um den letzten Dreck aus den Poren zu bekommen.

So, und jetzt versuche ich das hier mal zu posten. Mal sehen, ob das ohne WLAN klappt.

2 Kommentare zu „Frankreich in allen seinen Facetten

  1. Naja, zugegeben: was du heute schreibst ist inhaltlich erstmal nicht wirklich beneidenswert. Aber unbestritten ist doch, dass du TROTZDEM auch Positives entdeckt hast und dass du das Unschöne zu relativieren weißt, weil es ja nicht reisen sondern pilgern ist. Somit entwickelst du ein ganz neues Gefühl für das, was eigentlich ein ABSOLUTES Luxusleben ist, in Schwerin (und auch anderswo) aber als banale Normalität gilt.

    Und wenn du nun noch bedenkst, dass nicht jede/r sich die (Lebens-)Zeit und Mittel nehmen kann, einen solchen Pilgerplan zu schmieden und schließlich auch noch in die Realität umzusetzen, dann wird dir am Ende dieses (schweren) Tages doch bewußt, wie un-end-lich reich du bist, Christian.
    Dazu möchte ich dir jetzt von hier, aus diesem faden, langweilig sauberen, strukturierten und gekämmten Leben, meine Gratulation senden und dir für den morgigen Tag Neugier, Offenheit, vielleicht mal wieder eine Engelsbegegnung und ein weites Herz wünschen.

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    1. Oh nein, so schwer war der Tag gar nicht. Das mag vielleicht falsch rüberkommen. Die Kirschbäume voller reifer Früchte, nur die Pfirsiche brauchen noch ein bisschen. Und ein Kebab-Laden, wo es kalte Cola gibt, an der richtigen Stelle, ist besser als ein überkandideltes Dre-Gänge-Menü.
      Ich freue mich über jede Brücke, die ich überquere. Wäre sie nicht da, müsste ich schwimmen. Da werde ich einen Tag ohne Wärme Dusche und mit Rasenschnitt zwischen den Zehen verkraften.
      Liebe Grüße
      Christian

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