Seit gut fünf Wochen bin ich jetzt unterwegs. Und seit einer Woche fahre ich durch Frankreich. Nach Avignon begann die Strecke über Arles durch die Camargue.
Die Arena in Arles ist beeindruckend. Da die Stadt aber klein und überschaubar ist, drängen sich Hunderte Touristen um die Arena und es ist ziemlich verstopft. Meinen ursprünglichen Gedanken, einen Tag dort zu bleiben, habe ich schnell wieder verworfen. Das war mir dann doch zu voll und mit Andenkenläden überhäuft.Zu allem Überfluss bin ich dann auch noch in die Dreharbeiten einer chinesischen Soap-Opera geraten. Ein aufgeregtes und professionell ausgerüstetes Kamerateam sprang um eine Rikscha herum, in der eine chinesische Frau und ein europäischer Mann saßen. Natürlich habe ich von sämtlichen Regieanweisen kein Wort verstanden. Es war aber beeindruckend, wie – ich vermute die Aufnahmeleiterin – jedesmal kurz vor dem Kollabieren war, wenn ein Franzose mitten im Bild sein Auto abstellte, weil er erstmal zum Bäcker gehen musste oder einen Plausch mit einem Bekannten führen wollte. Alle ihre Versuche, den in ihren Augen respektlosen Parksünder auf radebrechtem Französisch dazu zu bewegen, sein Auto woanders abzustellen, scheiterten kläglich. Das war dem Betroffenen nämlich sch……egal.
Endlich hatten sie freie Bahn, die chinesische Rikschapassagierin himmelte ihren europäischen Begleiter an und der Rikschafahrer erhielt die Anweisung loszufahren. Die Szene war im Kasten alle freuten sich und mich würde brennend interessieren, wie die Geschichte dann im fertigen Film weitergeht. Wird der Vater der Chinesin mit ihrer europäischen Liason einverstanden sein? Ist der europäische Liebhaber vielleicht ein ausgebuffter Heiratsschwindler, der es nur auf das Erbe der asiatischen Industriellentochter abgesehen hat? Oder handelt es sich bei ihm um einen französischen Kung-Fu-Meister (10. Dan), der aus Respekt vor seinem chinesischen Lehrer dessen Tochter ehelicht? Also Ziegelsteine haben sie vor der Arena jedenfalls nicht zerkloppt. Ich werde nicht erfahren, wie es weitergeht. Aber so bleibt meiner Phantasie wenigstens genügend Spielraum.
Zum Phantasieren hat man mit dem Rad in Frankreich viel Zeit. Denn leider ist sehr oft der langweilige Seitenstreifen einer Nationalstraße die Radpiste. So auch auf dem Weg durch die Camargue. Schnurgerade und mit ordentlicher Windunterstützung von hinten.
Wilde Pferde habe ich nicht gesehen. Die einzigen weißen Rösser standen auf einer Koppel und machten einen gar nicht wilden Eindruck. Flamingos gab es dann mal in ganz weiter Entfernung zu sehen. Mit meiner abgespeckten Fotoausrüstung leider nicht einzufangen.
Kurz vor La Grande Motte wurde die Nationalstraße dann zu einer vierspurigen Ausbaustrecke. Und zu allem Überfluss war in der Ortschaft am Mittelmeer an diesem Wochenende auch noch ein Ferraritreffen angesagt. Hei, das machte Spaß auf dem Seitenstreifen.
La Grande Motte ist ein ziemlich schrecklicher Ort. Ein häßliches Hotel an dem anderen. Aus jedem zweiten Restaurant dröhnt laute Musik, was nicht gerade zum Verweilen einlädt.
Der erste Campingplatz wollte 32 Euro für die Nacht, auf dem zweiten war überhaupt kein Platz für Zelte und der dritte hatte dann schließlich ein Erbarmen mit dem ausgelaugten Pilger. Zum Glück habe ich nicht lange gewartet mit dem Zeltaufbau, denn eine Stunde nachdem ich ankam, gewitterte es ordentlich. Zumindest habe ich dem Rad noch einen Ausflug als Meer gegönnt. Es kennt bislang ja nur die Ostsee und die Nordsee und war noch nie am Mittelmeer.
Keine Sorge, ich spreche noch nicht mit meinem Rad und habe ihm auch keinen Namen gegeben.
Die Bausünden an der französischen Mittelmeerküste zogen sich noch bis Agde. Alles in allem sieht man da erst mal, dass an der mecklenburgische Ostseeküste alles richtig gemacht worden ist, wenn man diese zerstörte und vermodernisierte Küste hier sieht.
Hinter Agde setzte dann heftiger Gegenwind ein. Und ich meine heftig, wenn ich heftig schreibe. Manchmal war es schwierig, das Rad auf dem Weg zu halten und nicht von einer Böe in den Graben zu werden. In der Nacht schüttete es ordentlich und der Wind schüttelte das Zelt durch. Es gibt zwar massenhaft Campingplätze hier. Aber viele machen einen verlotterten Eindruck oder sind geschlossen und mit hohem Gras überwachsen. Vielleicht sollen die ja noch für die französische Feriensaison im Juli fit gemacht werden. Dann steht den Betreibern aber noch viel Arbeit in kurzer Zeit bevor. Verlassene Ferienparks mit verrosteten Achterbahnen wären ein schönes Objekt für längere Fotoausflüge, aber der Pilger will sich damit nicht lange aufhalten.
Nach einem Abstecher nach Béziers ging es nach Carcassonne weiter.
Und dann ist so langsam auch mal genug mit Frankreich. Bis zum Somportpass sind es noch rund 300 Kilometer und ich will jetzt endlich nach Spanien. Erst dann beginnt die Pilgerei für mich eigentlich. Es wird Zeit, die nächste Grenze zu überfahren.
Journalist!
Der Pilger ist Journalist!
Das jedenfalls ergab ein anonymer Hinweis, der Rückschlüsse aus dem Schreibstil zieht.
Ich freue mich hier schon darauf, wenn das Rad erst Spanien kennenlernen darf….!
Meines allerdings bleibt diesen Sommer leider wieder mal nur in Deutschland :-((
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Na toll. Jetzt habe ich erstmals Tränen gelacht, weil das Chinesisch-Französische Liebespaar mit der Rikscha Kreise durch meinen Kopf fährt. Grandios
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